Stroh in der Pferdefütterung – richtig eingesetzt ein wertvoller Bestandteil
Stroh wird in der Pferdefütterung häufig falsch eingeordnet. Viele sehen es ausschließlich als Einstreu oder als Füller, andere setzen es als Ersatz für Heu ein. Stroh ist – sinnvoll kombiniert und fachgerecht eingesetzt – eine wichtige strukturelle Ergänzung der Raufutterration und gehört in jede Futterration für gesunde Pferde. Um den Stellenwert von Stroh richtig einzuordnen, muss man zunächst das natürliche Fress- und Verdauungsverhalten des Pferdes verstehen.
Pferde als Dauerfresser und Futtersucher: Warum Faserqualität entscheidend ist
Pferde sind von Natur aus Dauerfresser und selektierende Futtersucher. In freier Wildbahn verbringen sie bis zu 16 Stunden täglich mit der Aufnahme unterschiedlichster Pflanzenfasern. Dabei legen sie zwischen 40 und 60 Kilometern am Tag zurück – nicht in schneller Bewegung, sondern im langsamen, stetigen Voranschreiten, während sie verschiedenste Pflanzen aufnehmen: Gräser, Kräuter, junge und alte Halme, Rindenstücke, Knospen, Wurzeln, Buschwerk und andere rohfaserreiche Bestandteile. Diese extreme Vielfalt an Faserquellen ist der zentrale Grund, warum ihr Verdauungssystem so robust, aber gleichzeitig so spezialisiert ist. Der Pferdemagen produziert rund um die Uhr Magensäure, Speichel jedoch entsteht nahezu ausschließlich beim Kauen. Genau deshalb benötigen Pferde lange Fasern, die intensiv gekaut werden müssen und so eine große Menge Speichel als natürlichen Säurepuffer bereitstellen. Die kontinuierliche Aufnahme strukturreicher, faserreicher Nahrung garantiert die stabile Funktion des gesamten Verdauungstraktes.
In der Hauspferdefütterung übernimmt Heu den größten Teil dieser Aufgabe. Heu bietet im Dickdarm fermentierbare Fasern, Energie und Nährstoffe, die die Mikrobiota im Dickdarm benötigen. Doch Heu allein bildet nicht die gesamte Bandbreite der natürlichen Faserlandschaft ab. Hier kann Stroh als ergänzende Strukturquelle sinnvoll sein.
Warum Stroh kein Heuersatz ist – aber eine wichtige strukturreiche Ergänzung
Heu liefert fermentierbare Zellwandbestandteile wie Hemizellulosen und Pektine, die im Dickdarm mikrobiell aufgeschlossen werden. Stroh dagegen besteht überwiegend aus Lignin - das sind holzige Fasern, die nur in sehr geringem Umfang aufgeschlossen werden können. Das bedeutet: Stroh macht im ernährungsphysiologischen Sinn nicht satt, da es kaum Energie liefert. Es füllt den Verdauungstrakt und verlängert die Fresszeit, aber es ersetzt keine verdauliche Faser.
Der Nutzen von Stroh liegt nicht in einer energetischen Versorgung, sondern in seiner mechanischen Wirkung: Kauen, Speichelfluss, Beschäftigung, Peristaltik (Darmbewegung). Heu und Stroh erfüllen also unterschiedliche Funktionen. Erst ihr Zusammenspiel bildet die Grundlage für eine stabile Verdauungsphysiologie.
Struktur statt Energie: Der reale Nutzen von Stroh
Stroh enthält weniger Energie und weniger Aminosäuren als Heu, dafür deutlich mehr unlösliche Fasern, vor allem Lignin. Diese schwer fermentierbare Fraktion sorgt dafür, dass Stroh:
- intensives Kauen auslöst und so den Speichelfluss erhöht
- den Magen beruhigt & die Fresszeit verlängert
- den Fressrhythmus und
- die Darmperistaltik mechanisch unterstützt
Diese Effekte sind verhaltensbiologisch und physiologisch relevant – aber nicht energetisch. Bei leichtfuttrigen Pferden kann Stroh helfen, lange Fresszeiten zu ermöglichen, ohne die Energieaufnahme zu erhöhen. Auch simuliert es die Mischung an unterschiedlichen Pflanzenfasern und das Futtersuchverhalten. Für alle Pferde trägt ein breites Rohfaserangebot zu einem natürlicheren Fressverhalten bei. Wenn kein Stroh ergänzt werden kann, sollten alternative Strukturträger wie Gehölze und Knabberäste angeboten werden.
Stroh und die Darmflora: mechanischer Nutzen, aber kein „Futter für die Bakterien“
Die Mikrobiota des Pferdes ist darauf spezialisiert, fermentierbare Fasern aus Gräsern und anderen Pflanzenbestandteilen aufzuspalten. Stroh liefert jedoch kaum fermentierbare Energie. Der Nutzen liegt daher nicht in der bakteriellen Fermentation, sondern in der strukturellen Ergänzung der Ration. Wichtig ist die Unterscheidung: Heu liefert fermentierbare Fasern und Energie für die Darmflora. Stroh liefert unlösliche, mechanische Fasern – kein mikrobiell relevantes Substrat. Bei zu hohen Strohmengen kann es zu einer ungünstigen Anpassung der Darmflora kommen: Die Mikroben verschieben sich hin zu Arten, die schwer abbaubare Fasern tolerieren, während Mikroben, die Heufasern effizient fermentieren, verdrängt werden können. Dadurch sinkt die Verwertbarkeit der Heuration. Ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Heu (fermentierbare Faser) und Stroh (mechanische Faser) ist daher entscheidend.
Mythos „Von Stroh bekommen Pferde Kolik“
Dieser Satz hält sich hartnäckig, ist aber fachlich nicht haltbar. Die Forschung zeigt übereinstimmend, dass Stroh an sich keine Kolik verursacht, sofern Qualität und Management stimmen.
Risikofaktoren sind:
- schlechte Qualität (feucht, schimmelig, staubig)
- abrupte Futterumstellung
- mangelnde Wasseraufnahme
- Bewegungsmangel
- eingeschränkte Kauleistung (Zahnprobleme)
Diese Risikofaktoren betreffen jedes Raufutter – nicht nur Stroh.
Was sagt die Wissenschaft zu Stroh:
Neuere Untersuchungen zeigen sehr klar, wie Stroh im Verdauungssystem von Pferden wirkt. Stroh gehört zu den am wenigsten fermentierbaren Raufuttermitteln: Es liefert kaum Energie, weil seine Fasern durch den hohen Ligninanteil nur minimal abgebaut werden können. Der eigentliche Nutzen liegt daher nicht in der Verdauung, sondern im Fressverhalten: Pferde kauen Stroh deutlich länger, langsamer und gleichmäßiger als Heu. Dadurch wird mehr Speichel gebildet – ein entscheidender Faktor, weil Speichel der wichtigste natürliche Puffer für die Magensäure ist. Gleichzeitig verteilt sich die Futteraufnahme über den Tag, was den Fressrhythmus stabiler macht und längere Pausen verhindert. Die Forschung zeigt außerdem, dass Stroh die Darmmikroben kaum „füttert“. Es ist deshalb wichtig, dass immer ausreichend fermentierbare Faser aus Heu oder Luzerne zur Verfügung steht. Wird Stroh in zu großen Mengen eingesetzt, kann sich die Darmflora ungünstig verändern und an die schwer abbaubaren Fasern anpassen. In moderater Menge bleibt Stroh aber ein wertvoller Strukturlieferant, der keine zusätzliche Energie liefert, aber das Kauverhalten, die Speichelbildung und die Fresszeit positiv beeinflusst. (Quellen: Meyer & Coenen; NRC 2007; Ellis et al. 2010, 2012; Jansen et al. 2010, 2012)
Wie viel Stroh ist sinnvoll? Stroh richtig füttern
Stroh sollte maximal ein Drittel der gesamten Raufutterration ausmachen. Die Einführung erfolgt über zwei bis drei Wochen. Am besten wird Stroh mit Heu gemischt, um selektives Fressen zu vermeiden. Bei Pferden mit hastigem Fressverhalten sind mehrere Futterstellen oder Slow Feeder sinnvoll. Wichtig sind die richtige Einführung und Management der Strohfütterung.
Langsam einführen, keine hungrigen Pferde mit Stroh füttern
Eine langsame Anpassung der Ration ist entscheidend, da die Mikrobiota Zeit benötigt, um auf die neue Faserstruktur zu reagieren. Rechne mindestens drei Wochen, um das Stroh langsam und schrittweise in deine Futterration einzuführen. Beachte, dass hungrige Pferde auch entsprechend hastig und gestresst fressen, sie speicheln wenig ein. Pferde sollten nie hungrig sein - füttere Pferde mit ihrem gewohnten Raufutter satt an und baue dann langsam Stroh ein.
Wichtige Voraussetzungen: funktionierende Kauleistung (Zahnkontrolle mindestens einmal pro Jahr) immer ausreichend frisches Wasser tägliche Bewegung zur Förderung der Darmmotilität hochwertige, hygienisch einwandfreie Strohqualität. Unter diesen Bedingungen kann Stroh sicher und vielseitig eingesetzt werden. Geeignete Stroharten:
Haferstroh: weich, schmackhaft, besonders beliebt
Gerstenstroh: etwas härter, bei guter Qualität gut geeignet
Weizenstroh: grob und ligninreich, aber nutzbar, wenn hell und trocken
Bei empfindlichen Pferden kann Stroh wie Heu bedampft werden.
Welche Stroharten sich für Pferde eignen
Nicht jedes Stroh ist für die Pferdefütterung gleich gut geeignet. Die wichtigsten Unterschiede ergeben sich aus Struktur, Härtegrad, Ligningehalt und Schmackhaftigkeit.
Haferstroh gilt als erste Wahl. Es ist weicher, aromatisch und wird von den meisten Pferden sehr gern gefressen. Durch die geringere Härte und den moderaten Ligningehalt lässt es sich gut kauen und eignet sich besonders für den regelmäßigen strukturellen Einsatz.
Gerstenstroh ist etwas fester, aber bei guter, heller Qualität ebenfalls geeignet. Es liefert viel Struktur, wird jedoch nicht von allen Pferden gleich gern gefressen. Gerstenstroh enthält Grannen. Diese feinen, borstigen Strukturen können beim Fressen irritieren, zu Maul- und Schleimhautreizungen führen und werden von manchen Pferden schlecht akzeptiert. Nichts destotrotz gibt es viele Pferde, die Gerstenstroh sehr gerne und problemlos fressen.
Weizenstroh ist die härteste, ligninreichste und am schwierigsten fermentierbare Variante. Es ist für Pferde nutzbar, wenn die Qualität stimmt.
Unabhängig von der Sorte gilt:
Nur goldgelbes, trockenes, staubarmes und schimmelfreies Stroh ist für die Fütterung geeignet.
Für Pferde mit empfindlichen Atemwegen kann Stroh – wie Heu – bedampft werden, um Staubbelastungen zu reduzieren.
Do’s & Don’ts beim Einsatz von Stroh
Do’s:
✔️
Nur hochwertiges, hygienisch einwandfreies Stroh verwenden
✔️
Langsame Anfütterung über 2–3 Wochen
✔️
Bewegung und Wasser immer sicherstellen
✔️
Mehrere Futterplätze einrichten
✔️
Regelmäßige Zahnkontrolle
✔️
Fressverhalten und Kot während der Umstellung beobachten
Don’ts:
❌
Kein Stroh bei Kaubeschwerden oder längerer
Boxenruhe ohne tierärztliche Rücksprache
❌
Kein feuchtes, schimmeliges oder staubiges Stroh verwenden
❌
Stroh nie als Ersatz für Heu – nur als
Ergänzung
❌
Keine abrupten Futteränderungen
Zusammenfassung
Stroh ist kein Notfutter, sondern ein vielseitiger
Bestandteil einer ausgewogenen Raufutterration.
Richtig eingesetzt, verlängert es die Fresszeiten, unterstützt ein natürliches
Fressverhalten und sorgt für Abwechslung im Futtermanagement.
Ob als Ergänzung für leichtfuttrige Pferde, zur
Strukturverbesserung oder als Teil des 24-Stunden-Fütterungssystems.
Stroh ist kein Ersatz, aber richtig eingesetzt eine wertvolle Ergänzung.
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