Fütterungsbetreuung bei der Distanzreiter-EM 2025 – mit dem österreichischen Team in Castiglione del Lago

Seit vielen Jahren begleite ich unsere Markenbotschafterin und Distanzreiterin Stephanie Kunz mit ihrem erfolgreichen Hengst Kuhaylan Zaid 111 (Kohekon) – nicht nur bei der Erstellung von Futterplänen, sondern bei großen Bewerben auch vor Ort. Wie schon bei der EM in Ermelo 2023 und der WM in Monpazier 2024 – die Koko und Steffi beide gefinisht haben – durfte ich heuer wieder im Team Kunz mit dabei sein.
Diesmal stand ein besonderes Event am Programm: die FEI Europameisterschaft im Distanzreiten 2025 in Castiglione del Lago, Italien. Steffi war dieses Jahr Teil des österreichischen Teams, erstmals seit längerer Zeit waren wir mit einem vollständigen Team bei einer Europameisterschaft vertreten. Ich möchte mit folgenden Zeilen einen authentischen Blick hinter die Kulissen geben.
Ein Championat hat seine eigenen Gesetze
Ein Championat bedeutet immer Verantwortung. Es verlangt von jedem Teammitglied höchste Konzentration in seinem Bereich. Ob Amateur oder Profi – die Teilnahme an einem Championat muss man sich als Reiter hart erarbeiten. Allein dabei zu sein, ist ein Erfolg. Und das besonders dann, wenn man diesen aufwendigen Sport neben einem Brotberuf betreibt. Wir wussten auch, dass Koko mit zwei gefinishten Championaten (23 und 24) bereits geschafft hat, was nicht viele österreichische Pferde in zwei aufeinanderfolgenden Jahren geschafft hatten.
Herausforderung: Schonender Transport – fittes Pferd
Als Fütterungsexpertin begleite ich Koko nicht nur mit individuell angepassten Futterplänen, sondern auch bei internationalen Bewerben direkt vor Ort. Meine Arbeit hat schon weit im Vorfeld begonnen, denn ein großer Risikofaktor für Sportpferde ist vor allem der lange Transportweg, da will die Fütterung gut geplant sein. Speziell im Distanzsport, wo das Pferd ja über den ganzen Tag die lange Strecke von 160 km – zwar mit Pausen – aber doch in einem flotten Tempo bewältigen muss, müssen alle Reserven zur Verfügung stehen. Der lange Transportweg zur Distanzreiter Europameisterschaft 2025 in Italien bedeutete also, dass ein wesentlicher Teil des Pferdemanagements darin bestand, dafür zu sorgen, dass Koko fit, mit gutem Appetit und gut hydriert am Wettkampfort ankam. Hier ist die Planung der Strecke und sorgsames Fahren ebenso wichtig, wie die "richtige Jause" unterwegs.
Der Flüssigkeits- und Elektrolyte-Speicher des Pferdes sitzt nämlich mit Raufutter gebunkert im Dickdarm und wird idealerweise stets nachgefüllt. Zum Glück gelingt das Koko hervorragend. Über die Hängerkamera konnten wir zusehen, wie er sich während der Fahrt systematisch durch seinen Heusack arbeitete. Andere Pferde verlieren genau hier Reserven – weil Appetit, Flüssigkeitshaushalt und Verdauung aus dem Gleichgewicht geraten. Das zeigt, wie wichtig ein durchdachtes Futtermanagement für Sportpferde ist – und wie viele Details hier entscheidend sein können.
So ein langer Transport schlägt auch vielen Pferden auf den Magen, auch Aufregung und Stress minimieren die Darmmobilität, das Kolikrisiko steigt. Eine lange Strecke sollte idealerweise auf mehrere Etappen gefahren werden, wenn man sein Pferd schonen möchte. Auch erhöht eine lange Anfahrt die Risiken für eine Infektion der Atemwege (sog. Shipping Fever). Unsere Teamtierärztin Alexandra Kammerhuber begleitete uns hier eng und hat für Koko vorab die nötigen Maßnahmen empfohlen.
Die Tage vor dem Rennen – Konzentration und Routinen
Die letzten Tage vor dem Start verlaufen ruhig, aber fokussiert. Jeder weiß, was zu tun ist, und dass jede kleine Nachlässigkeit Auswirkungen haben kann. Zwei der Crew - Gernot, Chef d'Equipe und Fahrer in Steffis Team und Karli, Züchter und "Vortraber" von Koko - verbrachten einen ganzen Tag damit, die über 25 Betreuungspunkte entlang der Strecke in der umbrischen Hügellandschaft zu erkunden. Koko sollte an jedem Punkt kühlendes Wasser und Betreuung bekommen können. Ein Verfahren ist aufgrund des Zeitdrucks während dem Rennen absolutes no go.
Gleichzeitig liefen die Vorbereitungen im Stall: Bei 32 Grad auf der baumlosen Strecke war schnell klar, dass das Kühlmanagement mit entscheidend sein würde. Die Futtermittel für den Renntag wurden vorbereitet. Zusätze mischte ich als Paste an, damit wir sicher sein konnten, dass auch wirklich alles "im Pferd landet", was Koko brav über sich ergehen ließ. Auch er wusste, dass ihn eine große Aufgabe erwartete. Ich war sehr zufrieden mit Kokos Appetit – bei Hengsten auch manchmal nicht selbstverständlich. Doch Koko schmeckte das italienische Wasser hervorragend und er fraß – wie immer – einen mitgebrachten Heuballen nach dem anderen – 20kg frisst der ca 500kg schwere Hengst mühelos am Tag. So hat er nicht nur zufällig von mir den Spitznamen ‚Heustadl‘ bekommen. Steffi hat alles, auch das Heu von zu Hause mitgebracht, was Koko braucht und er ist stets mit gutem Appetit gesegnet.
Unser Hufschmied Ulrich Adensamer hat den Beschlag vorab gut ausgetüftelt und war soweit zufrieden, er passte zu den erwarteten Bodenverhältnissen. Natürlich muss man für alles gerüstet sein, ein Wetterumschwung kann hier alles umdrehen. Ansonsten galt wie immer: Stay cool and keep your Athletes happy.
Leise Abläufe und besonnene Pferdemenschen
Während wir unsere Vorbereitungen trafen, konnten wir rund um uns die anderen Starter beobachten, darunter die besten Pferde und Reiter in Europa. Im Distanzlager läuft alles sehr ruhig ab, man hört kein lautes Wort, die Handlungen sind fein und besonnen. Der Umgang ist still, die Pferde sind sehr ausgeglichen - vom verrückten Araber keine Spur, ganz im Gegenteil. Als ich etwa mit unserem laut klappernden Leiterwagerl am französischen Team mit Pferden vorbei musste und vorsichtig innehielt, lachten die Reiter - die Pferde seien doch angeritten, meinten sie augenzwinkernd. Spanier, Franzosen, Portugiesen und Italiener organisieren ihre täglichen Abläufe streng in Teams. Die Pferde setzen ihre gewohnten Routinen fort, in der Gruppe. Routinen sind wichtig für die emotionale Stabilität. Die Pferde bekommen Spaziergänge, gehen grasen und fressen den ganzen Tag Heu.
Bei uns Österreichern - da wurde auch öfters laut gelacht, ein Schmäh vertreibt die Nervosität, wie wir wissen.
Wie läuft so ein Distanzritt eigentlich ab?
Für Außenstehende wirkt Distanzreiten wie ein einziger langer Marathon zu Pferd – doch in Wahrheit folgt es einem präzisen Ablauf in Abschnitten, bei dem das Pferdewohl im Mittelpunkt steht. Die 160-km-Strecke war in sechs Teilstrecken (Loops) gegliedert.
Nach jeder Etappe kehren die Pferde ins Vet-Gate zurück, wo sie tierärztlich untersucht werden. Die Reitzeit läuft dabei weiter, bis das Pferd einen Puls von 64 bpm oder darunter erreicht – das muss innerhalb von 15 Minuten nach Einritt ins Vet-Gate geschehen. Diese Recovery Zeit sollte möglichst kurz sein, da die Reitzeit solange läuft, bis das Pferd dem Tierarzt vorgestellt wird. Hier folgen Untersuchungen zu Puls, Schleimhäuten, Hydratation, Darmgeräuschen, Muskulatur, Gurtlage und Bewegungsbild. Nur wenn das Pferd als "fit to continue" eingestuft wird, darf es nach der vorgeschriebenen Pause – meist 40 Minuten – wieder auf die Strecke. Wenn es lahm ist, oder der Puls zu hoch, wird es eliminiert. Auch wenn andere Parameter nicht gut sind, wie Darmgeräusche, Kapillarfüllung oder Hydration, kann es zu einer Elimination kommen. Manchmal wird eine Reinspection angeordnet, bevor der Reiter auf die Strecke geht, auch hier kann eine Elimination erfolgen.
Der Renntag – früher Start, kluge Entscheidung
Der Start erfolgte mit Sonnenaufgang. Das Flugfeld von Castiglione del Lago bot viel Platz für den Start, doch nicht lange, bald führte die Strecke auf eine schmale Spur zusammen. 67 Pferd Reiterpaare donnerten in die Morgenröte - auch hier, alles erstaunlich leise.
Koko und Steffi kamen gut vom Start weg und absolvierten die erste Schleife über 35 km in ruhigem, kontrolliertem Tempo. Doch im Vet-Gate fiel dem erfahrenen Tierarzt eine feine Unregelmäßigkeit im Bewegungsablauf auf – eine minimale Lahmheit, kaum sichtbar.
Nach eingehender Untersuchung wurde Koko eliminiert – eine Entscheidung, die immer schwerfällt, aber im Sinne des Pferdes getroffen wurde. Später zeigte sich, dass sich Koko eine leichte Zerrung am Vorderbein zugezogen hatte. Kein Drama – aber eben ein Risiko, das sich mit jedem weiteren Kilometer potenziert hätte. Und genau dafür gibt es diese strengen Kontrollen.
Wir waren uns einig: Es war schade – aber es war richtig. Auch für die Rückfahrt sorgten wir mit einer zweitägigen Fahrt für eine sichere Reise. Ich bin stolz auf unser Team – und dankbar für die Erfahrung. Denn gerade solche Momente schärfen den Blick fürs Wesentliche.
Auch wenn Koko diesmal nicht finishen konnte – ich nehme wieder viel mit. Dass Fütterung nie losgelöst vom Gesamtsystem betrachtet werden kann. Dass es sich lohnt, frühzeitig auf die kleinen Dinge zu achten: Appetit, Hydration, Ruhe, Regeneration. Und dass ein Ausfall kein Rückschritt ist, sondern eben zum Sport dazu gehört.